Das Vorspiel
- Daniel Costantino
- 20. Juli 2022
- 2 Min. Lesezeit
Das Vorspiel
Eine kleine lexikalische Ergänzung
Es beginnt früh mit dem Verbot der Geschwisterliebe und mit der Ödipussage und entfaltet sich an der Mär von der Blutschande und der Lehre des degenerierten Nachwuchses – die seit je von der Evolution und hunderttausenden Tierarten widerlegt wird. Es erklingt, sobald in der Geschichte geifernde Geistliche ihr Haupt über die Potentaten erheben und von Dingen räsonieren, die sie sich aus fadenscheinigen Gründen selbst verbieten. Aus der Glut ihrer missgünstigen Herzen verbreitet es sich wie ein Lauffeuer, genährt von der Furcht vor ewiger Höllenmarter, einer Höchstgeschwindigkeit menschlicher Kommunikation. Es setzt sich zusammen aus allerhand Themen und Motiven jüdischer und christlicher Prüderie, es raubt hundert Generationen die Kindheit, Milliarden von Seelen die Unschuld, es zerschmettert den gesunden Verstand und die natürlichen Empfindungen ganzer Völker und Kontinente, es ertönt so laut und penetrant, dass die alte Vettel namens christliche Kirche sich noch selbst ob ihrem Geschrei die Ohren zuhält, lahm und blind seit ihrer Jugend, dennoch mit zahllosen Bastarden fruchtbar, die alle nie das Haus verlassen und die Welt gesehen haben. Mit Posaunen und Trompeten erscheint es einer Zivilisation, in der die Demenz über die Jugend, die Lüge über die Wahrheit, die Hölle über den Himmel triumphiert, und es leitet eine kümmerliche und schwerenöterische Durchführung ein, deren die Menschheit zurecht sich schämt.
In die Ehe gebettet, leistet es wohl oder übel dem Liebesakt Sukkurs, einer tausendfachen Reprise, welche sich in puncto puncti am papablen Keuschheitsgebot orientiert und in deplorabler Weise an der Mechanik der Sache ausrichtet. Als wäre alle Lust auf Erden einem Nutzen unterstellt, pflegt es eine pedantisch funktionalistische Sprache, die in ihrer Armut von Paarverhalten und Verkehr, von Stimulationen und Praktiken und eben von Akten spricht. Solcherart den engherzigsten Konventionen verschrieben, kann es nichts weiter tun, als faute de mieux seine artgemässen Bewegungen ein Lebtag lang mit stereotyper Monotonie, einmal vorwärts, einmal rückwärts, zu wiederholen.
Kommentare